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TSCHECHIEN: UMWELTZERSTÖRUNG FÜR WETTRÜSTEN UND ATOMKRAFT

Initiiert durch den Kalten Krieg ist Uranbergbau in Tschechien durch die Ausbeutung politischer Gefangener geprägt – und durch riesige strahlende Altlasten.

Die Geschichte des Uranbergbaus reicht in Böhmen bis ins 16. Jahrhundert zurück. In den Stollen des Erzgebirges bei St. Joachimsthal, dem heutigen tschechischen Jáchymov, fanden die Bergleute beim Abbau von Silber seinerzeit ein schwarzes Mineral, das kein oder zumindest nur Spuren von Silber enthielt. Es signalisierte das Ende einer Silberader und wurde deshalb Pechblende genannt. 1787 wurde in diesem Mineral ein neues Element entdeckt – Uran.

Der mineralische Fund förderte Jahrzehnte später einen neuen Produktionszweig: 1840 wurden mit ihm erstmals Uranlacke hergestellt. Die Nachfrage war groß, der Preis stieg rasant an, so dass 1852 in St. Joachimsthal gezielt Pechblende abgebaut und daraus bis 1939 Radiumsalz gewonnen wurde. Der Ort wurde nach dem Ersten Weltkrieg Teil der Tschechoslowakei und 1938 als Teil des Sudetenlands dem Deutschen Reich eingegliedert. Die Nazis hatten kein Interesse an Radiumsalz und stellten den Uranbergbau ein.

Im Mai 1945 besetzte die Rote Armee das Gebiet. Nach der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki rückte Uran in bisher nicht gekannter Weise in den Fokus. Jáchymov war damals eines der wenigen Gebiete der Welt mit bekannten Uranerzvorkommen, die sofort abgebaut werden konnten. Die Sowjetunion forderte die tschechoslowakische Regierung auf, ihnen die Minen als Dank für die Befreiung des Landes zu übergeben.

Auch die USA zeigten Interesse am tschechoslowakischen Uran und boten einen Preis, der den Staatshaushalt um ein Vielfaches überstieg. Die Regierung lehnte das Angebot jedoch ab und entschied sich für die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Niemand wusste seinerzeit, dass die UdSSR und die ČSSR am 23. November 1945 ein streng geheimes Abkommen zur Ausweitung des Abbaus von Erzen und Konzentraten in der Tschechoslowakei unterzeichnet hatten. Damit begann die wichtigste Phase des Uranbergbaus in Jáchymov und auf dem Territorium des heutigen Tschechien.

Aber der Reihe nach: Um die Produktion zu erhöhen, waren in den 50er Jahren neben normalen Bergleuten vor allem Gefangene im Einsatz, die aus politischen Gründen inhaftiert waren und zum Uranbergbau gezwungen wurden. Sie alle arbeiteten unter verheerenden Bedingungen und ohne Gesundheitsschutz. 1952 waren insgesamt 33 300 Menschen in den Minen beschäftigt, darunter über 13 000 Häftlinge. Für Jáchymov war 1956 das erfolgreichste Jahr mit einem Ertrag von 805 Tonnen Uran. 1964 wurde der Abbau eingestellt; bis dahin waren insgesamt 7 200 Tonnen Uran aus der Erde geholt. Andere Regionen förderten weit mehr: 60 Kilome ter südwestlich von Prag wurden 1947 die Lagerstätte Příbram entdeckt und binnen 44 Jahren 48 800 Tonnen Uran gefördert. Und auch hier gab es Zwangsarbeit: Das Lager Vojna zählte im März 1950 530 zwangsverpflichtete Menschen, 1956 sogar 1 894. 1961 wurde das Lager aufgelöst und die Zwangsarbeit beendet. Eine Gedenkstätte erinnert heute an die Opfer.

Příbram kann mit weiteren bedenklichen Daten aufwarten: Auf einer Fläche von 52 Quadratkilometern bewegten die Bergarbeiter*innen ungeheure Mengen Abraum und Uranerz und hinterließen 26 Abraumhalden mit fast 28 Millionen Kubikmetern Gesteinsresten als strahlendes Erbe. Als im Jahr 2020 die Frage diskutiert wurde, ob diese Altlasten beseitigt werden sollten, protestierten die Anwohner*innen: Sie fürchteten, dass durch eine Sanierung radioaktiver Staub freigesetzt und die gesamte Region kontaminiert werden könnte.

Die Uranvorkommen von Rožná und Olší wurden 1956 entdeckt, ein Jahr später begann der Abbau. Als Rožná 2017 als letzte Uranmine in Mitteleuropa geschlossen wurde, waren dort insgesamt 19 432 Tonnen Uran produziert worden. Heute verwaltet das Staatsunternehmen Diamo das strahlende Erbe: 19 Absetzbecken mit radioaktivem Abraum und gefährlichen Abfällen, die ein Volumen von 53 Millionen Kubikmetern haben. Darüber hinaus hat es 67 Absetzbecken mit weiteren 38 Millionen Kubikmetern Rückständen übernommen.

Die Folgen des In-Situ-Leach-Verfahrens werden an der Uran-Lagerstätte Stráž sichtbar. Es gab dort 2 210 Explorations- und 7684 Produktionsbohrungen, um mit konzentrierter Schwefelsäure Uran aus dem Gestein zu lösen. Insgesamt wurden durch diese Methode mehr als vier Millionen Tonnen Schwefelsäure, 320 000 Tonnen Salpetersäure, 26 000 Tonnen Flusssäure sowie 111 000 Tonnen Ammoniak in uranhaltige Schichten gepresst. Die Menge der in den Untergrund gespritzten Säuren und Laugen entspricht der Hälfte des Volumens der Talsperre Štěchovice. Über 350 Millionen Kubikmeter Grundwasser sind verunreinigt worden; bis heute ist die gesamte Trinkwasserversorgung in Nordböhmen gefährdet.

Insgesamt wurden in Tschechien über 112 000 Tonnen Uran gefördert. Mit der Sanierung der Hinterlassenschaften wurde bereits 1996 begonnen. Im Jahr 2010 stellte die Regierung für die Sanierung des In-Situ-Leach-Verfahrens bis 2042 rund 31 Milliarden tschechische Kronen zur Verfügung, nach damaligem Wechselkurs umgerechnet rund 1,2 Milliarden Euro. Ziel ist es, die Konzentration der Schadstoffe auf sieben Gramm pro Liter Wasser zu senken. Umweltorganisationen und der tschechische Rechnungshof rechnen allerdings damit, dass weit mehr Geld für die Sanierung ausgegeben werden muss.

Grundsätzlich war der Uranbergbau in Tschechien zwar durch das sowjetische Atombombenprogramm initiiert worden (s. auch Deutschland I), und der Großteil des Urans wurde auch in den Bruderstaat exportiert. Die tschechoslowakische Regierung begann 1979 jedoch auch mit dem Bau der vier Atommeiler Dukovany 1 bis 4, die zwischen 1985 und 1987 in Betrieb gingen. Zwischen 1985 und 1987 folgten trotz der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl Temelín 1 bis 4, wobei 2000 und 2002 nur die Blöcke 1 und 2 fertiggestellt wurden.

Das zivile Atomprogramm steht in Tschechien seit dem Fall des Eisernen Vorhangs im Kreuzfeuer der Kritik. Bereits 1990 organisierte Greenpeace Protestaktionen unter dem Slogan »kein CSSRnobyl«. Ende Januar 1993 unterzeichneten 10 000 Menschen in Südböhmen ein Bürgerbegehren gegen die Fertigstellung von Temelín. Während der Entscheidung über die Fortführung des Baus protestierten tschechische Umweltorganisationen vor dem Regierungssitz. Premierminister Václav Klaus bezeichnete die Aktion als terroristisch.

Ungeachtet aller Proteste, beschloss die Regierung, die beiden 1 000-Megawatt-Blöcke fertigzustellen. Es folgten regi- onale Aktionen, Korruptionsvorwürfe und eine Kampagne gegen die Fertigstellung, die mit der Forderung nach einem Referendum ihren Höhepunkt erreichte: Umweltorganisationen sammelten 115 000 Unterschriften gegen das Atomkraftwerk, das Thema bestimmte im Sommer 2000 die Titelseiten tschechischer Medien. In Österreich wiederum wollten 898 000 Stimmberechtigte bei einem Referendum ihre Regierung dazu verpflichten, den Beitritt Tschechiens zur EU von der Stilllegung Temelíns abhängig zu machen. Das AKW wurde trotz allem 2006 offiziell genehmigt, nachdem es sechs Jahre im Testbetrieb Strom ins Netz gespeist hatte. Der südböhmische Regionalrat stimmte allerdings 2004 gegen die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4.

Im Jahr 2020 lieferte Atomkraft 33 Prozent des tschechischen Stroms, die Kohle fast 54. Die tschechische Regierung setzt weiter auf Atomkraft und hat den Bau eines neuen Meilers am Standort Dukovany angekündigt, den Rest sollen die Erneuerbaren liefern, um die Klimaziele zu erreichen. Angesichts des Krieges in der Ukraine besonders brisant: Alle tschechischen AKWs können nur mit Brennelementen aus Russland betrieben werden, genau wie Loviisa in Finnland, Paks in Ungarn, Mochovce und Bohunice in der Slowakei sowie Kosloduj in Bulgarien. Vielleicht beschleunigt diese Abhängigkeit aber auch ihre Stilllegung.

Weiterführende Informationen

• Uranbergbau Tschechien: wise-uranium.org/upcz.html