20 Jahre Nuclear-Free Future Award

„Das Atomzeitalter wurde durch Menschen begonnen, es kann nur durch Menschen beendet werden.“

„Die Stadt Salzburg kann auf eine lange und bewegende Geschichte im Kampf gegen Kernenergie zurückblicken“, sagte Bernhard Auinger, der stellvertretende Bürgermeister der Stadt. „Umso mehr freue ich mich, im Namen der Stadt Salzburg dem Nuclear-Free Future Award (NFFA) zum 20-jährigen Jubiläum gratulieren zu können. Salzburg gehört zur weltweiten Organisation Bürgermeister für den Frieden und erklärte sich bereits 2005 zu einer atomwaffenfreien Zone. Das Atomzeitalter wurde von Menschen begonnen. Es kann deshalb auch nur von Menschen beendet werden.“

Vor 20 Jahren wurde der Nuclear-Free Future Award erstmals in Salzburg verliehen. 20 Jahre später gastiert er zur festlichen Preisverleihung wiederum in Salzburg. „In dieser Zeit konnten wir annähernd 100 Aktivisten aus der ganzen Welt mit dem Award auszeichnen und mit unserem Preisgeld ihre Arbeit unterstützen“, betonte Franz Moll, einer der Gründer des Awards, während des Festakts in der voll besetzten großen Aula der Universität Salzburg.

Wie notwendig die Anti-Atom-Arbeit noch immer ist, zeigt bereits der Blick auf Österreich. Obwohl sich das Land vor 40 Jahren in einem Volksentscheid gegen Kernenergie entschieden und das fertig gestellte AKW Zwentendorf stillgelegt hat, noch bevor es ans Netz ging, ist Österreich nicht frei von Atomstrom. Darauf verwies Heinrich Schellhorn, der stellvertretende Landeshauptmann von Salzburg, in seiner Eröffnungsrede: „Im vergangenen Jahr haben wir sieben Milliarden Kilowattstunden Strom importiert – und viel zu sehr ist dieser importierte Strom ein Produkt aus Atom- und Kohlekraftwerken.“

Obwohl der Atomausstieg in Deutschland beschlossene Sache ist und Österreich sich bereits vor 40 Jahren davon verabschiedete, ist der Nuclear-Free Future Award wichtiger denn. „Die Atomkraft wird in vielen Ländern immer noch vorangetrieben“, betont NFFA-Mitgründer Claus Biegert. Nicht zu vergessen die militärische Seite: Nicht erst seit US-Präsident Trump damit droht, den INF-Vertrag mit Russland zu kündigen, der den Besitz von landgestützten Atomraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern verbietet, ist die atomare Aufrüstung wieder in Gang gekommen. „Wir halten dagegen und versuchen Anti-Atom- und Friedensaktivisten über unsere Preisvergabe miteinander zu vernetzen“, so Claus Biegert.

Einer von ihnen ist Karipbek Kuyukov. „Ich spreche im Namen aller überlebenden und aller toten Opfer von Atomwaffen“, sagte der Mann aus Kasachstan, der als Folge der Strahlenbelastung durch die Atombombentests in Semipalatinsk ohne Arme auf die Welt gekommen ist und sein Leben und seine Kunst – aufrüttelnde, mundgemalte Mahn-Bilder – dem Ziel gewidmet hat, „dass niemand mehr unter den schrecklichen Folgen atomarer Waffenproduktion und Waffeneinsatzes zu leiden“ hat. In Salzburg wurde ihm dafür der Nuclear-Free Future Award in der Kategorie Aufklärung verliehen. „Ich appelliere an die Weltöffentlichkeit, ihre Anstrengungen zu bündeln für die vollständige Vernichtung von Atomwaffen“, sagte er, als er den Preis entgegen nahm.

Die Britin Linda Walker wiederum, die in der Kategorie „Lösungen“ mit dem NFFA ausgezeichnet wurde, hilft seit 1995 über ihre Organisation Chernobyl’s Children Kindern aus verstrahlten Regionen in der Ukraine, indem sie ihnen in England jenseits jeglicher Strahlenbelastung Zeiten zur Erholung bietet. „Das Preisgeld des NFFA wird unsere Arbeit inspirieren – und uns helfen, eine „Beyond Nuclear“-Initiative in Großbritannien zu errichten.“ Wie wichtig die wiederum ist, zeigt der Verweis auf Hinkley Point: Dort planen die Briten ein neues Atomkraftwerk und garantieren dem Erbauer Areva 12 Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Inflationsausgleich. Vergleicht man diese Kosten mit den heute schon deutlich unter zehn Cent liegenden Kosten von Sonnen- und Windstrom, so bleibt nur ein Schluss übrig: dieses Projekt gleicht volkswirtschaftlichem Harakiri.

Jeffrey Lee erhielt den NFFA in der Kategorie Widerstand. Der Aborigine schlug Millionenen aus und sorgte in seiner Heimat Koongarra dafür, dass das Land seiner Vorfahren vor Uran-Abbau und dem Zugriff des französischen Atomkonzern Areva bewahrt wurde. Jetzt ist es in den Kakadu-Nationalpark integriert und als Teil des Weltkulturerbes dauerhaft unter Schutz gestellt. „Der Areva-Konzern hat nicht mit der Widerstandskraft eines Menschen gerechnet und nur die Tonnen gezählt, die er abbauen kann“, würdigte Laudatorin und ICAN-Mitglied Susi Snyder den Australier. „Wenn sich nicht jemand wie er für eine Sache einsetzt, wird nichts besser. Wirklich nicht!“

Das gilt auch für Didier und Paulette Anger, die sich seit den frühen 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegen Atomkraft engagieren. Denn sie haben deren verschiedene Facetten direkt vor ihrer Haustür in Les Pieux in der Normandie erlebt: In La Hague ging 1966 die Wiederaufarbeitungsanlage in Betrieb, am Bahnhof von Valognes trafen jahrzehntelang abgebrannte Brennstäbe aus Deutschland ein, im Hafen von Cherbourg wurden aufbereiteter Atommüll und MOX-Brennelemente nach Japan verschifft, dort liefen französische Atom-U-Boote ein und aus. In Flamanville schließlich ging 1985 der erste Reaktorblock ans Netz. Der dritte ist seit 2005 in Bau und will nicht fertig werden. Für ihr jahrzehntelanges Engagement wurden sie mit einem Ehrenpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. „Überall auf der Welt gehen die kommerziellen Interessen der Hochfinanz, des Privat- wie Staatskapitalismus über die Sicherheit der Allgemeinheit“, sagte Paulette Anger bei der Preisübergabe und setzte ihre Botschaft dagegen: „Ni nucléaire, ni effet de serre! – „Nein zu Atomkraft und Treibhauseffekt!“

Den Schlusspunkt des Festakts setzte Peter Weish, geboren 1936 in Wien und so etwas wie der Vater der österreichischen Anti-Atom-Bewegung. Seit 1969 ist er erklärter Gegner der Atomkraft, aber dank seiner Mitarbeit am Institut für Strahlenschutz im Reaktorzentrum Seibersdorf südlich von Wien ein Insider und Kenner der Nukleartechnik. Zu einem Großteil ist es ihm zu verdanken, dass das AKW Zwentendorf nie ans Netz ging. „Seither hat sich vieles verändert“, sagte der ebenfalls mit einem Ehrenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnete Weish. „Schlachten wurden gewonnen, aber die Atomindustrie ist weit von ihrem Ende entfernt. Das Beispiel Hinkley-Point-Projekt zeigt uns, wie eng verflochten die zivile und militärische Atom-Industrie sind. Wer Frieden will, muss die Gründe für Krieg und Gewalt verstehen. Atomkraft ist einer!“

Die NFFA-Preisträger 2018 im Überblick:

  • Kategorie Aufklärung: Karipbek Kuyukov, Kasachstan
  • Kategorie Lösungen: Linda Walker, Großbritannien
  • Kategorie Widerstand: Jeffrey Lee, Australien
  • Ehrenpreis für ihr Lebenswerk: Didier und Paulette Anger, Frankreich
  • Ehrenpreis für sein Lebenswerk: Peter Weish, Österreich

Kooperationspartner der Festveranstaltung zu „20 Jahre Nuclear-Free Future Award“:
Leopold Kohr-Akademie, das Land Salzburg, die Stadt Salzburg, AUGE, plage – Plattform gegen Atomgefahren, Kunsthilfe Salzburg, die Salzburger Nachrichten, Robert Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, Netzwerk sabine

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