Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, Rosa-Luxemburg-Stiftung und Nuclear Free Future Foundation

Über 70 Prozent der Deutschen fordern: Atomausstieg soll endlich auch die Urananreicherung und Brennelemente-Herstellung umfassen

Neuer Uranatlas zeigt Daten und Fakten zu den oft verdrängten Gefahren der Atomenergie

Berlin. Der erste Uranatlas, der heute gemeinsam vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Nuclear Free Future Foundation (NFFF) und der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) veröffentlicht wurde, zeigt als umfangreiches Faktenbuch die Gefahren der Atomenergie von der Uranförderung bis zum problematischen Umgang mit dem Atommüll. Eine gleichzeitig veröffentlichte aktuelle repräsentative Umfrage von Kantar Emnid zeigt zudem, dass eine große Mehrheit der Deutschen für einen schnellen Atomausstieg ist, obwohl die Risiken der Atomenergie kein großes öffentliches Thema mehr sind.

„Wenn 60 Prozent der Deutschen am Atomausstieg festhalten oder ihn beschleunigen wollen und Atomenergie auch nicht als ein Mittel gegen die Klimakrise sehen, dann ist dies eine klare Absage an alle, die doch noch davon träumen, die AKW-Laufzeiten in Deutschland zu verlängern“, so Thorben Becker, Atomexperte beim BUND und Mitautor des Atlas mit Bezug auf die Umfrage. „Der Uranatlas zeigt anhand vieler Beispiele, wie berechtigt diese Ablehnung der Bevölkerung ist. Atomenergie ist unverantwortlich vom Anfang bis zum Ende, von Uranabbau bis zum Atommüll.“

In Deutschland ist der Atomausstieg zwar beschlossen, aber längst noch nicht vollständig vollzogen, denn es sind noch sieben Atomkraftwerke (AKW) in Betrieb. Und die Urananreicherungs-Anlage in Gronau sowie die Brennelemente-Fabrik in Lingen haben sogar unbefristete Genehmigungen. Diese wurden vom Atomausstieg ausdrücklich ausgenommen, obwohl in Deutschland spätestens 2022 kein angereichertes Uran und auch keine Brennelemente mehr benötigt werden. Aktuell liefern die Anlagen unter anderem den Brennstoff für die AKW Tihange und Doel in Belgien. Becker weiter: „Über 70 Prozent der Deutschen fordern, dass die beiden Atomanlagen in Gronau und Lingen bis Ende 2022 zeitgleich mit den letzten deutschen Atomkraftwerken stillgelegt werden. Bundesumweltministerin Schulze täte gut daran, dieses Anliegen aufzunehmen und eine Initiative für einen vollständigen Atomausstieg Deutschlands zu starten.“

Seit der Reaktor-Katastrophe von Fukushima ist die Produktion von Atomstrom weltweit um über zehn Prozent gesunken und der Uranbedarf somit zurückgegangen: Von 68 646 Tonnen vor der Katastrophe auf nur noch 56 585 Tonnen im Jahr 2014. Inzwischen sind die Atomstromproduktion und die Urannachfrage wieder leicht gestiegen, hauptsächlich wegen neuer Kraftwerke in China. Aber statt der erhofften Atom-Renaissance gibt es nur Stagnation. Diese Entwicklungen haben dramatische Auswirkungen auf den Preis von Uran. Der liegt seit 2016 unter 30 US-Dollar und macht die meisten Uran-Bergwerke unwirtschaftlich. „Gegenwärtig warten Bergbaukonzerne darauf, dass sich der Uranpreis erholt. Gleichzeitig wehren sich immer mehr Menschen in Afrika, Australien, Nordamerika und Europa erfolgreich gegen Uranbergbau und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen. Auch ohne Reaktorunfall bedeutet die Nutzung der Atomenergie ein großes Gesundheitsrisiko. Deshalb muss das Uran in der Erde bleiben“, fordert Horst Hamm von der Nuclear Free Future Foundation (NFFF) und Redaktionsleiter des Uran-Atlas.

Atomkraftwerke erzeugen heute in 31 Ländern Strom und haben weltweit einen Anteil von rund zehn Prozent an der kommerziellen Stromproduktion. Der Beitrag der Atomwirtschaft sinkt seit 1996 kontinuierlich, als ihr Anteil am Strommix den historischen Höchststand von 17,5 Prozent erreichte. Während die jährliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahrzehnt enorm zugenommen hat und von 2007 bis 2017 um rund 4000 Terawattstunden (TWh) gestiegen ist, nahm die Atomstromproduktion um 110 TWh ab. „Wirtschaftlich gesehen hat Atomkraft keine Zukunft. Die Betreiber versuchen mit Laufzeitverlängerungen für bestehende Anlagen wie etwa in Frankreich zu überleben, was das Katastrophenrisiko deutlich erhöht. Neue AKWs werden oft nur aus militärischen und strategischen Gründen gebaut“, betont Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit und Internationale Politik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS).

Hinweise: Im Atlas wird beschrieben, wer, wo und mit welchen Problemen Uran abbaut und an welchen Orten dies in Zukunft geplant ist.

Zur Rolle der Europäischen Union: Die Europäische Union ist immer noch die weltweit größte Uranverbraucherin. Den Artikel hierzu finden Sie auf der Seite 20 des Uranatlas.

Risiken des Uranabbaus: 99,9 Prozent des Uranerzes bleiben in den Tailingbecken zurück. Sie sorgen auch nach Schließung einer Mine dafür, dass die Gebiete langfristig radioaktiv kontaminiert sind. Denn im Uranbergbau sind Fein- und Grobstäube voll von strahlenden Partikeln und die Atemluft Radongas belastet – ein Hauptgrund für den Lungenkrebs vieler Bergarbeiter*innen.
Uran wird unter Tage und im Tagebau gefördert. In beiden Fällen werden Uranminen von großen Rückständen eingerahmt. In ihnen finden sich sämtliche Zerfallsprodukte der Urankette. Die Sanierung von Uranminen scheitert meist an der fehlenden Bereitschaft der Atomnutzer*innen, Geld für das Problem auszugeben. Als internationales Vorzeigeprojekt für die Zeit nach der Urangewinnung gilt die Sanierung der Wismut in Sachsen und Thüringen – aber auch hier gibt es Mängel. Ehemalige Absetzbecken wurden nur abgedeckt und nicht abgedichtet. Ein Teil der Niederschläge sickert nach wie vor durch die feinkörnigen Bergbaurückstände hindurch, so dass giftige Stoffe ins Grundwasser gelangen. Es gibt eine dauerhaft erhöhte radioaktive „Grundstrahlung“ in den betroffenen Gebieten Thüringens und Sachsens. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 10 und 28.

Uranförderung/Länderranking: Historisch betrachtet ist Kanada mit Abstand der weltweit größte Uranförderer: 524.000 Tonnen und damit über ein Sechstel der gesamten Uranproduktion stammen von dort. Danach kommen die USA, gefolgt von Russland beziehungsweise der Sowjetunion, Kasachstan, der DDR und Australien. Seit 2009 ist Kasachstan das wichtigste Förderland, der Anteil an der weltweiten Uranproduktion lag 2017 bei 39 Prozent. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 12 und 22.

Uranvorkommen: Sehr große und noch nicht erschlossene Uranvorkommen werden in Afrika vermutet. Fünf der weltweit zehn größten Uranminen liegen auf dem Land indigener Völker, die anderen fünf in Kasachstan. Die Artikel hierzu finden Sie auf den Seiten 14 und 22.

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