Neuer Statusbericht bestätigt: Atomkraft spielt eine immer kleinere Rolle
Der von unabhängigen Autor*innen geschrieben Report beschreibt in aller Deutlichkeit, dass sich Europas Atomenergie in einer Sackgasse befindet, obwohl Europa zusammengerechnet die weltweit größte nukleare Reaktorflotte darstellen: Zunächst ist Europa in Sachen Uran und Brennelemente von Russland abhängig. Russland ist ein wichtiger globaler Anbieter von Dienstleistungen im Bereich Kernbrennstoff, einschließlich Uranabbau, -umwandlung, -anreicherung und Herstellung von Brennelementen für Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart (WWER), von denen es 19 in der EU und 15 in der Ukraine gibt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine haben die EU-Mitglieder Sanktionen verhängt und ihre Importe von Öl, Kohle und Gas deutlich verringert, um Russland die beträchtlichen Einnahmequellen zu entziehen und die Abhängigkeit Europas von Russland zu verringern.
"Während die USA im April 2023 Sanktionen gegen einige Tochtergesellschaften des von der russischen Regierung kontrollierten Unternehmens Rosatom verhängten und im Mai 2024 die Einfuhr von Uranprodukten aus Russland verboten, hat die EU keine Sanktionen im Nuklearsektor verhängt", stellt der WNISR fest, "ein deutlicher Hinweis auf die Abhängigkeit von Russland." Jutta Paulus, umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert den Bericht mit deutlichen Worten: "Putin reibt sich angesichts der wieder aufkommenden Atomdebatte in Europa die Hände. Denn bei Uran befinden wir uns noch immer in hoher Abhängigkeit von Russland. Das ist weder der freien demokratischen Welt noch unserer Wirtschaft zuträglich."
Dabei geht, auch das zeigt der Statusbericht, die Entwicklung ohnehin in eine ganz andere Richtung: "Die Europäische Union verzeichnete (im Laufe des Jahres 2023) den größten Zubau an erneuerbaren Kapazitäten aller Zeiten, und der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromerzeugung erreichte 44 Prozent und überstieg damit erstmals 40 Prozent. Solar- und Windkraftanlagen produzierten zusammen 721 TWh, fast ein Viertel mehr als die Kernenergie mit 588 TWh. Ebenfalls zum ersten Mal erzeugten die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft mehr Strom als alle fossilen Brennstoffe zusammen, und die Windenergie allein übertraf die fossile Gaserzeugung. Die Erzeugung aus fossilen Brennstoffen ging um rekordverdächtige 19 Prozent zurück und erreichte damit den niedrigsten Stand aller Zeiten." Die Erneuerbaren hängen Atomkraft deutlich ab, auch wegen der hohen Kosten, die mit Atomkraft und dem Neubau von Atomkraftwerken verbunden sind. Da inzwischen auch die Speichermöglichkeiten von erneuerbarem Strom immer besser werden, ist es nicht nachzuvollziehen, dass noch immer viele Politiker*innen auf Atomkraft setzen und auch in Deutschland den Neubau von Atomreaktoren fordern.
Der WNISR kommt zu einer sehr deutlichen Einschätzung: "Entgegen der weit verbreiteten Auffassung spielt die Kernkraft auf dem internationalen Markt für Stromerzeugungstechnologien nach wie vor keine Rolle. Solarenergie und deren Speicherung könnte den Ausschlag für die Anpassung politischer Entscheidungen an die aktuellen industriellen Realitäten geben."
Man kann es auch anders und deutlich formulieren: Wenn Atomreaktoren nicht dazu gebraucht würden, auch das militärische Atomwaffenprogramm zu erneuern, wäre die Atomindustrie in ein paar Jahren am Ende.
Den World Nuclear Industry Status Report 2024 können Sie kostenlos hier herunterladen.