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DU: KÜRZEL FÜR DEN KRIEG OHNE ENDE

Projektile, die Panzer durchdringen, bestehen aus Uran-238, einem Abfallprodukt aus der Urananreicherung. Depleted Uranium, kurz DU, hat eine extreme Durchschlagskraft – und fatale Folgen.

Wegen seiner hohen Dichte wird Depleted Uranium zwar auch als Ausgleichsgewicht für Flugzeugtragflächen und Renn-Yachten verwendet, doch die weltweite Diskussion entbrannte an seiner militärischen Nutzung: Mit der dreifachen Wucht einer herkömmlichen Granate dringt ein 30-Millimeter-Urangeschoss in den Panzer ein wie ein hei­ßes Messer in ein Stück Butter.

Glühender Uranstaub reagiert explosionsartig mit dem Sauerstoff im Inneren des Panzers. Eine Flammenwalze mit einer Temperatur von bis zu 5000 Grad Celsius lässt den Angstschrei der Besatzung im Bruchteil einer Sekunde verstummen. Zwei Sekunden lang ist es totenstill. Dann erfasst das Feuer die mitgeführte Munition im Panzer. Eine heftige Explosion trennt den Turm vom Rest des Panzers. Die Feuersäule, die steil in den Himmel steigt, ist blauschwarz. Sie verteilt einen radioaktiven und hoch toxischen Nanostaub über die Schlachtfelder und darüber hinaus – und vergiftet sowohl die Soldat*innen auf beiden Seiten, als auch die Zivilbevölke­rung weit über das Kriegsende hinaus. Er dringt in den Boden ein und kontaminiert das Grundwasser.

DU besitzt eine radioaktive Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren. Das heißt, einmal freigesetzt, strahlen seine radioaktiven Partikel – Alphastrahler – fast auf ewig. Nach Grundsätzen und Kriterien des humanitären Völkerrechts wie dem Unterscheidungsgebot, Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Umwelt sowie dem Vorsichts- oder Vorsorgeprinzip ist der Einsatz von Uranwaffen verboten. Hinzu kommt – hinsichtlich der Einsatzfolgen – die Verletzung von Standards des Internationalen Menschenrechtsschutzes (wie dem Recht auf eine gesunde Umwelt) oder des Umweltschutzes (dem Schutz vor toxischen Substanzen). Ramsey Clark, ehemaliger US-Justizminister, bezeichnete Uranmunition in Anlehnung an die »Medal of Honor«, die »Ehrenmedaille« als höchste Auszeichnung der US-Regierung an ein Mitglied der Streitkräfte, als »Metal of Dishonor – Metall der Unehre«.

Ihren ersten Einsatz fanden Urangeschosse im Golfkrieg 1991 im Südirak durch die USA und Großbritannien – mit mindestens 320 Tonnen DU. Viele US-Soldat*innen sind inzwischen erkrankt und verstorben; daher die Bezeichnung »Golfkriegssyndrom«; bis heute kämpfen die Überlebenden um eine Anerkennung ihrer »Berufskrankheit«. Die Chronik geht wei­ter: 1995 wurden in Bosnien-Herzegowina drei Tonnen DU eingesetzt; 1999 in Serbien, Kosovo und Montenegro 9,45 Tonnen, 2003 im Irak 145 Tonnen. Es folgten zwischen 2001 und 2006 Einsätze in Afghanistan, Syrien und Somalia.

Woher kommt DU? Das Uranerz in der Erde ist hauptsächlich Uran-238 – und damit für die Energiegewinnung ungeeignet. Hierzu wird Uran-235 gebraucht, das zu einer Kernspaltungskettenreaktion fähig ist. Es hat aber nur einen Anteil von 0,7 Prozent im abgebauten Uran. Bei der Urananreicherung wird der Uran-235-Anteil erhöht, für die Herstellung von AKW-Brennelementen auf drei bis fünf Prozent, für Atombomben auf bis zu 85 Prozent. Als Abfallstoff bleibt abgereichertes Uran zurück, das fast ausschließlich aus Uran-238 besteht und nur noch zu 0,03 Prozent aus Uran-235 (s. S. 8-9). Ob bei der Anreicherung für militärische oder zivile Zwecke: nur etwa fünf Prozent des abgereicherten Urans werden genutzt, der große Rest wird irgendwo gelagert und müsste eigentlich als Atommüll in ein sicheres Endlager.

Als die US-Luftwaffe vor 40 Jahren ihr neues Kampfflugzeug A-10 Thunderbolt einführte, dessen Bordkanone 4200 Schuss pro Minute mit der panzerbrechenden Munition erlaubt, geschahen die Tests ohne Sicherheitsvorkehrungen und ohne Ankündigung; weder das Heer noch die Zivilbevölkerung wurden über die gesundheitlichen Gefahren informiert. Die Zunahme von Erkrankungen führte zu Protestwellen, so dass die Versuche auf Militärbasen außerhalb des Festlands der USA ausgelagert wurden: nach Vieques/Puerto Rico; Balboa West und Pinas in Panama; nach Kumejima Island, Okinawa/Japan, Doha/Saudi-Arabien, Koon Ni/Südkorea und nach Deutschland auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr süd­lich von Bayreuth. Nicht ohne Zwischenfälle: Mit DU-Munition beladene Panzer brannten in Altenwalde, Gollhofen und Oberaltertheim aus; außerdem stürzten mehrere A-10-Kampfflugzeuge ab. In Kuweit explodierte ein US-Munitionsdepot mit 3,5 Tonnen DU.

Andere Länder – darunter Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, die UdSSR und die Schweiz – erprobten Urangeschosse innerhalb ihrer eigenen Grenzen. Das britische Militär testete in Eskmeal und im schottischen Dundrennan, Frankreich in Polygone de tir des Bourges, 200 Kilometer südlich von Paris; die Bundeswehr auf dem Gelände von MBB, Rheinmetall und EADS in Unterlüss und im Spargelgebiet Schrobenhausen, das Schweizer Unternehmen Contraves in Ochsenboden. Allen NATO-Ländern zur Verfügung stand Salto di Quirra, Europas größter Truppenübungsplatz im Osten von Sardinien. Dort ist die Krebsrate hoch, und Green­peace meldete, dass Schafe mit drei Beinen oder zwei Köpfen geboren wurden.

Mindestens 18 Staaten haben Uranwaffen in ihrem Arse­nal: England, USA, Frankreich, Russland, Griechenland, die Türkei, Israel, Saudi-Arabien, Bahrain, Ägypten, Kuweit, Jordanien, Pakistan, Oman, Thailand, China, Indien und Taiwan. Der Honeywell-Tochterkonzern Alliant Tech Systems (ATK) in den USA ist weltweit der mit Abstand größte Produzent und Exporteur von Uranwaffen. ATK wurde im September 2017 vom weltweit fünftgrößten Waffenkonzern Northrop Grumman übernommen.

In der Uranwaffenproduktion ebenfalls beteiligt sind Großbritannien, Frankreich, Russland, Pakistan und Indien. In Deutschland wurde die Problematik vor allem durch den Mediziner Sigwart-Horst Günther und den Dokumentarfilmer Frieder Wagner an die Öffentlichkeit gebracht. 1995 schmuggelte Günther Reste von Uranmunition aus dem irakischen Kriegsgebiet nach Berlin und ließ sie untersuchen. Wegen der »Verbreitung von radioaktivem Material« wurde er daraufhin strafrechtlich belangt. Gleichzeitig sprach die NATO aber von der Unbedenklichkeit der Munition.

2003 gründete sich die »International Coalition to Ban Uranium Weapons« (ICBUW). Sie koordiniert und bündelt zivilgesellschaftliche Anstrengungen zur vollständigen Ächtung von Uranwaffen und zur Hilfe für DU-Opfer. In einem zweijährigen Rhythmus behandelt die UN-Generalversammlung das Thema Uranmunition. Die dazu mit großer Stimmenmehrheit angenommenen Resolutionen betonen entscheidende Aspekte: Transparenz, den Vorsorgeansatz und Unterstützung der betroffenen Regionen. Dieser Prozess wird nachhaltig vom Europäischen Parlament mitgetragen, von Seiten der Bundesrepublik Deutschland allerdings in Gestalt von Stimmenthaltungen unterminiert, obwohl die Bundeswehr keine Uranwaffen in ihren Arsenalen hat.

Weiterführende Informationen

• Links: www.icbuw.eu; www.uraniumweaponsconference.de
• Frieder Wagner: Todesstaub – Made in USA. Uranmunition verseucht die Welt, 2019