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AUSTRALIEN
WARNUNGEN AUS DER FRÜHZEIT

Die ersten Völker des Kontinents verstanden sich als Hütende von Schätzen im Erdinneren, die nicht an die Oberfläche geholt werden dürfen. Gegen die uranfördernden Bergbaufirmen haben ihre Nachfahr*innen selten eine Chance.

In sämtlichen Formen der Landschaft sehen die indigenen Völker Australiens die Manifestation der gestalten­den Kräfte einer Vorzeit, die bis heute wirkt. Dementsprechend intensiv ist ihre Bindung an ihre Umwelt; in ihrer Kosmologie »alcheringa« verstehen sie sich als Wesen, die zur Natur gehören – nie dürfen daher Menschen von der Natur Besitz ergreifen, sie können sie nur hüten. Vor rund 50000 Jahren wurde die Landmasse besiedelt; Aboriginals erinnern sich heute noch an die Namen von Orten, die seit rund 15000 Jahren unter Wasser liegen, Orte, die von ihren Vorfahr*innen benannt wurden, als Neuguinea und Tasmanien noch mit dem Kontinent durch Landbrücken verbunden waren.

Lieder und Tänze sorgen dafür, dass das kollektive Gedächtnis das Wissen aus dieser Vergangenheit bewahrt. Dazu gehören auch Warnungen, das Innere der Erde nicht zu verwunden. Bekannteste Botschaft ist die der Regenbogenschlange, die Berge und Seen schuf und deren unterirdischer Schlaf nicht gestört werden darf; anderenfalls würden todbringende Kräfte entfesselt, die der Mensch nicht bändigen kann. Die Regenbogenschlange, so die Aboriginals heute, ist die Hüterin der Uranadern. Einen Einblick in die lebende Erde gab Joan Wingfield, Aktivistin der Kokotha aus Südaustralien, auf dem World Uranium Hearing 1992 in Salzburg, als sie über Galda, die Stumpfschwanzechse, und die Uranmine Olympic Dam sprach: »Der erste gegrabene Schacht geht durch den Bauch der Echse. Dort holen sie nicht nur Uran, sondern auch Gold, Silber, Kupfer, Blei. Wenn wir den Bauch von Galda öffnen, finden wir die gleichen Farben.«

Der Uranbergbau begann 1954, abgesehen von ersten Entnahmen 1906 zur medizinischen Forschung. Inzwischen ist Australien mit insgesamt über 231000 Tonnen der sechstgrößte Uranproduzent; aktuell liegt das Land hinter Kasachstan  sogar an zweiter Stelle der weltweiten Förderer. Mit geschätzt über einer Million Tonnen verfügt das Land über die größten abbauwürdigen Uranressourcen der Welt – allerdings nur bei einem Uranpreis von über 130 US-Dollar pro Kilo.

Abgebaut wird bis heute im Outback, fern weißer Städte. Den ursprünglichen Besitzer*innen des Landes wurden dabei jahrzehntelang keinerlei Landrechte eingeräumt, so dass die Bergbaufirmen de facto machen konnten, was sie wollten. Erst mit der Zeit führten die Bundesstaaten unterschiedliche Regelungen ein. Das erste Zugeständnis lieferte die Regierung im Northern Territory 1976: Der »Aboriginal Land Rights Act« gibt Aboriginals dort das Recht, Probebohrungen zu untersagen. Doch die wenigsten indigenen Gesellschaften wussten, dass nach einer Zustimmung zur Exploration eine Verweigerung der Förderung kaum durchzusetzen war. Bei den Minen im Northern Territory, die vor diesem Gesetz eröffnet wurden, gab es weder Verhandlungen noch Entschädigungen. Erst 1993 verabschiedete das Parlament in Canberra den »Native Title Act« – ein Gesetz, das die traditionellen Landrechte aller Aboriginal-Völker sichern sollte. Während es von der Regierung als wegweisende Anerkennung proklamiert wird, sehen die Betroffenen die Fortsetzung des alten Ungleichgewichts: Wenn eine Firma Uran abbauen will, tragen sie die Beweislast und müssen nachweisen, dass sie bis heute eine ununterbrochene Beziehung zu ihrem Land pflegen. Ein Hohn in den Augen derer, die hier seit Urzeiten leben.

Auch wenn eine Klage vor Gericht zugunsten der Aboriginals entschieden wird, müssen sie dennoch mit den Bergbaufirmen verhandeln. Einigen sie sich nicht, erhält das Vorhaben der Firma Vorrang vor der Anerkennung des indigenen Landti­tels. Eine gesetzliche Handhabe, dagegen ein Veto einzulegen, gibt es nicht. Gemeinden und Gruppen, die den Zutritt verwehren wollen, sind oft gar nicht an den Verhandlungen beteiligt, da die Firmen sich ihre Gesprächspartner*innen selbst aussuchen können und mit finanziellen Belohnungen winken. Die Bundesstaaten Queensland, New South Wales und Victoria erlauben derzeit keinen Abbau; diese Haltung kann sich nach jeder Parlamentswahl jedoch wieder ändern.

Dennoch machen einige Erfolge den Aboriginal-Völkern Mut: Jeffrey Lee, letzter Angehöriger der Djok, weigerte sich, Koongara, das Land seiner Ahnen im Northern Territory, zu verkaufen. Die französische Firma Areva überbot sich in ihren Summen, um die geschätzten 14000 Tonnen Uran unter seinem Land abzubauen. Jeffrey lehnte ab und wollte stattdessen Koongara dem Kakadu-Nationalpark angliedern. Er reiste mit einer Delegation nach Paris brachte auch die UNESCO auf seine Seite, die den Park bereits 2003 als Weltkulturerbe anerkannt hatte. Zur gleichen Zeit hatte in der Nachbarschaft Yvonne Margarula (s. Abb. Cover Uranatlas), eine Mirrar, erfolgreich gegen die Eröffnung der Mine Jabiluka gekämpft und 2005 einen Baustopp erreicht.

Auch der Widerstand gegen die Ranger-Mine direkt neben dem Nationalpark zeigt Wirkung. Seit 1980 förderte sie Uran, hauptsächlich für Japan und Deutschland. Über 200 Pannen mit Verseuchungen der Umwelt sind bekannt – 2013 flossen eine Million Liter radioaktiver Schlamm in den Park. Im Frühjahr 2019 wurde die Produktion eingestellt.

Im Northern Territory, auf dem Land der Arrernte, konnte zudem die Mine Angela Pamela verhindert werden. In Südaustralien stoppten massive Proteste den Plan, die Uranre­serven im Wildnisreservat Arkaroole im Land der Adnyama­thanha zu erschließen. 2008 erlaubte dagegen der Bundesstaat Westaustralien den Uranabbau; seitdem kämpft die Bewegung gegen ein Minenprojekt, dem die Betreiberfirma BHP einen Aboriginal-Namen gab: Yeelirrie.

Weiterführende Informationen

• Australian Conservation Foundation: Kampagne »nuclear free«, acf.org.au
• Anna Luisa Schmid: Darkroom. Trickfilm, vimeo.com/81749731
• Auth, Huber, Schnatz: Uranium – is it a Country? Dokumentarfilm, 53 min, 2009